Datenschutz, Versicherung und KI
von Martin Daller
Datenschutzmaßnahmen für den KI-Einsatz in der europäischen Versicherungswirtschaft
Die Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI) in der europäischen Versicherungsbranche bietet enorme Potenziale – von der Effizienzsteigerung über die Personalisierung bis hin zur Betrugserkennung. Gleichzeitig ist der Umgang mit personenbezogenen Daten ein sensibler Kernpunkt. Denn Versicherer agieren innerhalb eines klaren rechtlichen Rahmens: der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Diese verlangt, dass personenbezogene Daten nur zweckgebunden, sicher und transparent verarbeitet werden. Entsprechend setzen Versicherungsunternehmen auf eine Vielzahl technischer und organisatorischer Maßnahmen, um KI datenschutzkonform einzusetzen.
1. On-Premises KI-Infrastruktur
Einige Versicherer verzichten bewusst auf externe Cloud-Dienste und betreiben ihre KI-Systeme vollständig auf eigenen Servern. Diese On-Premises-Lösungen stellen sicher, dass sensible Kundendaten das Unternehmensnetzwerk nicht verlassen.
Beispiel: Allianz Deutschland analysiert Kundenanfragen mittels eines internen NLP-Modells, das vollständig in firmeneigenen Rechenzentren in Deutschland läuft. Die Datenverarbeitung bleibt so unter vollständiger Kontrolle.
Vorteil: Maximale Datensouveränität und Reduktion externer Angriffsflächen.
2. Private Cloud und europäische Anbieter
Wo Cloud-Lösungen notwendig sind, setzen viele Versicherer auf europäische Anbieter wie T-Systems, OVHcloud oder Initiativen wie GAIA-X. Diese stellen DSGVO-konforme Cloud-Infrastrukturen bereit, die den Anforderungen an Sicherheit, Datenverfügbarkeit und Datenverarbeitung innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) gerecht werden.
Vorteil: Skalierbarkeit moderner Cloud-Technologie kombiniert mit regulatorischer Sicherheit.
3. Federated Learning
Ein besonders innovativer Ansatz ist das Federated Learning. Dabei werden KI-Modelle dezentral auf verschiedenen Datenquellen trainiert – beispielsweise in unterschiedlichen Landesgesellschaften eines Versicherungskonzerns. Die Daten selbst bleiben lokal gespeichert, nur die aktualisierten Modellparameter werden zentral aggregiert.
Beispiel: Eine Betrugserkennungs-KI wird in Italien, Frankreich und Deutschland trainiert, ohne dass Rohdaten die jeweiligen Länder verlassen. Nur Gewichtsanpassungen fließen zurück an die Zentrale.
Vorteil: Datenschutzkonformes Lernen aus dezentralen Datenquellen bei gleichzeitigem Wissensaustausch.
4. Differential Privacy und Anonymisierung
Zur weiteren Absicherung personenbezogener Daten setzen viele Versicherer auf Anonymisierungs- und Pseudonymisierungsverfahren. Dabei werden Daten so verändert, dass keine Rückschlüsse auf Einzelpersonen möglich sind. Techniken wie Differential Privacy fügen gezielt „Rauschen“ in Datensätze ein, um die Reidentifikation auszuschließen.
Anwendung: Besonders relevant bei der Entwicklung neuer Preismodelle oder Produkte, bei denen große Datenmengen analysiert werden müssen.
5. Synthetische Daten
Ein zunehmend genutzter Ansatz ist das Training von KI-Modellen auf synthetischen Daten – also künstlich generierten Datensätzen, die statistisch realen Kundendaten ähneln, aber keine realen Personen betreffen.
Vorteil: Ermöglicht risikofreie Entwicklung und Validierung von KI-Systemen ohne Datenschutzrisiken.
6. Governance durch Datenschutz- und Ethik-Teams
Technische Maßnahmen allein genügen nicht. Viele Versicherer etablieren deshalb umfassende Data-Governance-Strukturen. Diese regeln unter anderem:
- Wer Zugriff auf welche Daten hat (Zugriffsmanagement),
- Wie KI-Modelle dokumentiert, validiert und überwacht werden,
- Wie Datenschutz und Fairness kontinuierlich geprüft werden.
Beispiel: Unternehmen wie AXA, Generali oder Allianz unterhalten interne Datenethik-Teams und prüfen jede KI-Anwendung auf DSGVO-Konformität und ethische Risiken.
Fazit: Datenschutz als Enabler für vertrauenswürdige KI
Datenschutz ist kein Innovationshemmnis, sondern ein zentraler Erfolgsfaktor für den vertrauensvollen Einsatz von KI in der Versicherungsbranche. Europäische Versicherer zeigen, dass es möglich ist, modernste KI-Technologien mit höchsten Datenschutzstandards zu kombinieren – sei es durch On-Premises-Lösungen, DSGVO-konforme Cloud-Infrastrukturen, Federated Learning oder synthetische Daten. Entscheidend ist ein ganzheitlicher Ansatz, der Technik, Organisation und Governance vereint. Nur so kann KI langfristig nachhaltig, sicher und im Einklang mit europäischen Werten eingesetzt werden.